Das Fahren mit Sommerreifen im Winter ist dann nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn die Witterungsverhältnisse wechselhaft und nicht sämtliche Straßen im winterlichen Zustand sind. Der Vollkaskoversicherung steht daher kein Recht zur Leistungskürzung zu, wenn der Versicherungsnehmer bei winterlichen Verhältnissen von der Straße abkommt. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg hervor.
Im zugrunde liegenden Fall kam ein Autofahrer aufgrund winterlicher Verhältnisse
mit seinem Fahrzeug von der Straße ab und prallte gegen eine Grundstücksmauer. Er
beanspruchte daraufhin seine Vollkaskoversicherung. Diese regulierte den Schaden
jedoch nicht vollständig und führte zur Begründung an, dass der Autofahrer mit Sommerreifen gefahren war und somit den Unfall grob fahrlässig verursacht habe. Dem trat der Autofahrer mit dem Hinweis entgegen, dass die Witterungsverhältnisse wechselhaft und auch nicht alle Straßen im winterlichen Zustand gewesen seien. Er widersprach daher dem Vorwurf grob fahrlässig gehandelt zu haben und erhob Klage auf Zahlung der restlichen Versicherungsleistung. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg wies die Klage ab.
Das Landgericht Hamburg entschied im Berufungsverfahren zu Gunsten des Autofahrers und hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Dem Autofahrer habe ein Anspruch auf vollständigen Versicherungsschutz zugestanden. Die Vollkaskoversicherung sei nicht berechtigt gewesen, ihre Leistung zu kürzen, da der Autofahrer den Versicherungsfall nicht grob fahrlässig verursacht habe.
Nach Auffassung des Landgerichts sei das Fahren mit Sommerreifen nicht als grob
fahrlässig zu werten gewesen. Es habe sich nicht hinreichend sicher feststellen lassen können, dass das Verhalten des Autofahrers zumindest in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig war. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Unfallort in einer Gegend gelegen habe, in der typischerweise nicht mit winterlichen Verhältnissen zu rechnen sei. Die Vorschrift § 2 Abs. 3a StVO verlange zwar eine geeignete Bereifung, sie begründe aber keine generelle Winterreifenpflicht.
Zudem sei nach Ansicht des Landgerichts die Kausalität zwischen Unfall und Fahren mit Sommerreifen fraglich gewesen. Es sei nicht eindeutig gewesen, dass es bei vorherrschenden Witterungs— und Straßenverhältnissen mit Winter- oder Ganzjahresreifen nicht zu dem Unfall gekommen wäre.
Landgericht Hamburg, Urteil vom 02.07.2010 — 331 S 137/09 –